Wo gehört man dazu? Eine Frau, die viele Heimaten hatte, musste in ihrem langen Leben immer wieder Antworten auf diese Frage finden. Die geborene Siebenbürgerin Erika Mühlbacher wurde am 6. Oktober 2022 100 Jahre alt – und ist nach vielen Umwegen zumindest in Unterschleißheim gut angekommen.
Als Erika Mühlbacher in Unterschleißheim auf der Straße einem Siebenbürger in Tracht begegnete, trieb es ihr die Tränen in die Augen. 1922 in Hermannstadt geboren, war sie nach zahlreichen Stationen in mehreren Ländern 1988 in Unterschleißheim gelandet. Dass es hier Menschen aus ihrer ersten Heimat gab, wusste sie bis zu dieser Begegnung nicht. Dann aber gab es kein Halten mehr: Frau Mühlbacher schloss sich der Nachbarschaft der Siebenbürger Sachsen Lohhof an. Sie übernahm die Öffentlichkeitsarbeit und kommunizierte auch hier ein Lebensthema: Zugehörigkeit. Dass die Siebenbürger Sachsen schließlich als eigene deutsche Gruppe und nicht mehr als „die Rumänen“ wahrgenommen wurden, ist auch ihrer Arbeit zu verdanken.
Wohin geht man? Wo kann man bleiben? Als junge Frau war Erika Mühlbacher für ihre Berufsausbildung zur Fremdsprachensekretärin für Französisch nach Berlin gekommen. Als sie 1941 über Wien zurück nach Siebenbürgen wollte, machte ihr der Krieg einen Strich durch die Rechnung. Sie flüchtete nach Oberösterreich, wo sie ihren Mann kennenlernte und ihre Tochter Uschi bekam. Doch auch dort hielt es sie nicht, die Familie zog aus wirtschaftlichen Gründen ins Saarland.
Das Saarland war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Ausland. Frau Mühlbacher erlebte als Redaktionssekretärin bei der Saarbrückener Zeitung den starken Wunsch der Saarländer nach der Rückkehr zu Deutschland. Bis zur Abstimmung und darüber hinaus waren es bewegende Momente für sie.
Und wie gehört man in Unterschleißheim dazu? Das verstand die Neuangekommene damals schnell: Der Weg führt über Vereine und diesen ging sie bereitwillig. So gehörte sie neben der Nachbarschaft der Siebenbürger Sachsen Lohhof auch dem Foto- und Videoclub sowie den Berg- und Wanderfreunden an.
Und es ist ein Zeichen, dass man angekommen ist, wenn der Bürgermeister der Stadt an der Haustür klingelt. Bestimmt wollte Christoph Böck nicht nur von Herzen und voller Bewunderung zum 100. Geburtstag gratulieren, sondern auch die Geheimnisse des Älterwerdens erfahren. Frau Mühlbacher gab sie preis: ein positiver Blick auf die Welt, Entschlossenheit und Freude an der Arbeit. Und Teil eines Ganzen zu sein, wie immer dieses Ganze auch gerade aussehen mag.